Empirischer Teil

8. Theoretischer Hintergrund

Ergänzend zum vorangegangenen theoretischen Teil besteht der zweite Teil der Arbeit aus empirischer Forschung. Um die Umsetzung der bereits vorgestellten Jugendschutzgesetze für das Internet in der Praxis besser nachvollziehen zu können, wurden drei der Institutionen aufgesucht, die zur Zeit in Bezug auf dieses Thema am stärksten in der öffentlichen Diskussion stehen. Es sind dies die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter e.V. und das Jugendschutz.net. Die Erhebung fand in Form von qualitativen Interviews in den Räumen der jeweiligen Institutionen statt und erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Transkriptionen der Interviews sind der Arbeit angehängt. Die Erlaubnis zur Veröffentlichung innerhalb der Diplomarbeit wurde erteilt.

8.1 Befragungsform

Bei den durchgeführten Interviews handelt es sich um eine Form von Leitfaden-Interviews, die in Einzelgesprächen entstanden. Da die Befragten in allen Fällen Experten im Bezug auf die Thematik sind, handelt es sich bei der Befragung um Experten-Interviews im Sinne von Meuser und Nagel (vgl.: FLICK, 1995, S. 109). Bei dieser Form des Interviews interessiert der Befragte nicht in erster Linie als Person, sondern ist in seiner Eigenschaft als Experte für ein bestimmtes Handlungsfeld interessant. Er ist auch nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe von Experten bzw. einer bestimmten Institution zu sehen (vgl.: FLICK, 1995, S. 109).

Der Leitfaden erfüllt in diesem Zusammenhang zwei Funktionen: zum einen schließt die Erstellung aus, daß sich der Interviewer als inkompetent darstellt. Er verfügt selbst über Wissen und ist auf die Thematik vorbereitet. Zum zweiten schließt der Leitfaden aus, daß sich das Gespräch in Themen verliert, die nichts mit den eigentlichen Fragestellungen zu tun haben. Die Auswertung von Experten-Interviews richtet sich vor allem auf die Analyse und den inhaltlichen Vergleich des Wissens der Befragten (vgl.: FLICK, 1995, S. 110).

8.2 Auswahl der Stichprobe

Die Untersuchung wurde im Zeitraum von September bis Oktober 1998 innerhalb Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz durchgeführt. Es wurden Vertreter der Institutionen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte, jugendschutz.net und Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter e.V. als Interviewpartner ausgewählt. Diese drei Institutionen repräsentieren drei Ebenen des öffentlichen Jugendschutzes: Bund, Länder und Wirtschaft. Alle drei stehen in der öffentlichen Diskussion und Kritik. Aufgrund der kleinen Stichprobe kann diese Untersuchung keinen Anspruch auf Repräsentativität legen.<>P

8.3 Interviewpartner

Die Gesprächspartner der Interviews sind ExpertInnen in Bezug auf das Thema Jugendschutz im Internet und üben in ihren jeweiligen Institutionen eine verantwortliche Position in Bezug auf den Jugendmedienschutz aus. Frau Kortländer von der Bundesprüfstelle ist ausgebildete Medienpädagogin und als Referentin bei der Bundesprüfstelle angestellt. Sie befaßt sich hauptsächlich mit jugendgefährdendem Material im Internet, deckt aber im Rahmen ihrer Tätigkeit auch andere Medien ab.

Frau Müller ist eine der LeiterInnen von Jugendschutz.net. Sie ist Theologin und arbeitet seit einigen Jahren im Bereich Jugendmedienschutz. Vor Antritt ihrer Stelle bei Jugendschutz.net arbeitete sie als Ständige Vertreterin der obersten Landesjugendbehörden bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft.

Herr Dr. Waldenberger ist stellvertretender Vorsitzender der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter e.V. Neben dieser Tätigkeit ist er als Jurist beim Verband deutscher Zeitschriftenverleger tätig.

8.4 Interviewsituation

Die Interviewsituation war in allen Fällen angenehm und unverkrampft. Die Interviews hatten eine Dauer von ca. 35 bis 45 Minuten und fanden in den Räumen der jeweiligen Institution statt. Die Interviews unterteilten sich in drei Bereiche: erstens beinhalteten sie sogenannte Einstiegsfragen, z.B. die Frage nach der Einwilligung zur Transkription und Veröffentlichung des Interviews im Rahmen der Diplomarbeit. Die Einstiegsfragen boten die Möglichkeit, sich ‘warm zu reden’ und die Situation entspannt zu beginnen, wobei anzumerken ist, daß die Befragten aufgrund ihrer Position geübt im Umgang mit Interviewsituationen schienen.

Zweitens enthielten sie Leitfadenfragen zum Thema, so zunächst Fragen zur Darstellung und Einschätzung der eigenen Arbeit. Schließlich enthielten sie Fragen, die sich erst aus dem Interview ergeben haben. Spontane Aspekte fanden im Interview ebenso Beachtung, wenn sie sich am Thema orientierten.

8.5 Fragestellungen des Interviews

Die folgenden Fragen stellen die Leitfragen der einzelnen Interviews dar. Die Fragen sind bewußt offen gehalten, um eine Beeinflussung der Interviewpartner zu vermeiden. Der Verlauf der Interviews und die tatsächlich gestellten Fragen können innerhalb der zusammengefaßten Interviews, bzw. der Transkriptionen im Anhang nachvollzogen werden. An dieser Stelle sollen nun die Leitfragen vorgestellt werden:

Was hat sich seit der Kommerzialisierung des Internets an der Arbeit der Institution geändert, bzw. wie sieht die Arbeit mit dem neuen Medium konkret aus?

Mit wievielen jugendgefährdenden Angeboten ist die Institution seit 1997 konfrontiert worden?

Wie lange dauert es, bis eine Beschwerde über ein solches Angebot bearbeitet worden ist?

Wie geht man mit ausländischen Angeboten um?

Welche Meinung wird bezüglich indizierter Seiten, die immer noch online sind, vertreten?

Werden die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für ausreichend gehalten?

Werden Veränderungen gewünscht?

Welche Meinung wird zu technischer Sperrung von Inhalten beim Provider vertreten?

Welche Vorstellungen und Wünsche bestehen bezüglich eines idealen Jugendschutzes der Zukunft?

8.6 Formale Charakterisierung des Materials

An dieser Stelle soll erklärt werden, wie das Material erhoben wurde. Alle drei Interviews wurden mittels eines Kassettenrekorders aufgezeichnet. Die Tonbandaufnahmen wurden dann später mittels Transkription zu Texten verarbeitet, wobei das gesamte Gespräch zu einem Text umgewandelt wurde. Dabei wurden lediglich umgangssprachliche Formulierungen und Wiederholungen nach Absprache mit den Interviewpartnern geglättet. Die textliche Aufbereitung der einzelnen Dokumente geschah entsprechend des Gesprächsverlaufs, der sich am Interviewleitfaden orientierte. Für die sich anschließende Interpretation interessieren fünf Fragestellungen:

Wie effektiv arbeiten die einzelnen Institutionen und wie beurteilen sie selbst ihre Arbeit?

Wie groß ist die Anzahl der jugendgefährdenden Angebote, mit denen die Institutionen konfrontiert werden?

Ist die zur Zeit praktizierte Form des Jugendschutzes die geeignete für das Internet?

Was wäre zu verbessern?

Welche Perspektiven für die Zukunft lassen sich erkennen?

Im folgenden Abschnitt sollen nun die geführten Interviews zusammenfassend dargestellt werden. Die Quellenangaben innerhalb der Zusammenfassung der Interviews beziehen sich auf die im Anhang veröffentlichten Transkriptionen. Zum besseren Auffinden sind die Antworten numeriert.


Zum Kapitel 9: Zusammenfassung und Interpretation der Interviews