10. Schlußfolgerung

Während des Schreibens meiner Diplomarbeit wurde deutlich, daß das Thema Jugendmedienschutz im Internet ein sehr vielschichtiges ist, das von vielen Seiten beleuchtet werden kann. Ich habe mich in dieser Arbeit schwerpunktmäßig auf die gesetzlichen Grundlagen und ihre Umsetzung konzentriert, da diese die Basis für pädagogisches Handeln darstellen und dessen Rahmen abstecken.

In allen von mir geführten Interviews und auch bei der Vorstellung der Gesetze wurde deutlich, daß die Gesetzeslage bezüglich des Jugendmedienschutzes im Internet als unklar bewertet werden kann. Weder Anbieter, Staatsanwaltschaft noch die zuständigen Institutionen scheinen in der Lage, die entsprechenden Gesetze eindeutig anzuwenden. Bei den Anbietern herrscht eine Verunsicherung, die zum Teil zu vorauseilendem Gehorsam oder Abwanderung ins Ausland führt.

Die Staatsanwaltschaft hat mit dem Fall Compuserve und anderen bewiesen, daß auch sie nicht in der Lage ist, bestehendes Recht anzuwenden.

Innerhalb der in dieser Arbeit vorgestellten Institutionen gibt es Unsicherheiten bezüglich der Begriffe "Medien- und Teledienste". Diese Unklarheiten führen wiederum zu einem Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern, in dem die entsprechenden Institutionen Bundesprüfstelle und Jugendschutz.net gegenseitig ihre Vorgehensweisen kritisieren und sich Kompetenzen absprechen.

Die Tatsache, daß das Internet ein weltweit verbreitetes Medium ist, in dem der deutsche Jugendschutz zum ersten Mal massiv mit anderen Werten, Normen und Kulturen konfrontiert wird, bereitet Schwierigkeiten. Insbesondere die Bundesprüfstelle wagt den Blick über den eigenen Tellerrand nicht und sucht lediglich durch Versendung von Informationsblättern zur deutschen Rechtslage den Kontakt zum Ausland.

Das Erstellen dieser Diplomarbeit hat mir verdeutlicht, daß die Konfrontation mit dem Internet für die zuständigen Institutionen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist und eine Flexibilität verlangt, die in diesen Institutionen teilweise nicht geleistet werden kann. Das Internet ist mit den bisherigen Medien nicht vergleichbar, ihm kann deshalb auch nicht mit alten Konzepten begegnet werden. Die Indizierungen der Bundesprüfstelle sind dem Medium Internet nicht angemessen und führen in der Regel zu nichts. Die Maßnahmen der beiden anderen Institutionen sind umstritten, ihre Mitarbeiter zum Teil erheblich überlastet.

Offiziell beschäftigt man sich erst seit relativ kurzer Zeit mit dem Jugendmedienschutz im Internet. Die relevanten Gesetze, die ein rechtmäßiges Handeln erst ermöglichen, wurden 1997 verabschiedet. Zu spät hat man sich mit der Thematik auseinandergesetzt und ist nun aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich des Internets anscheinend überfordert.

Entwicklungen im technischen Bereich werden seit Jahren intensiv vorangetrieben, um Deutschland den Weg in die sogenannte Informationsgesellschaft zu ermöglichen. Die sozialen Auswirkungen der Technik sind nur unzureichend berücksichtigt worden, und die Entwicklungen auf dem Bildungssektor (z.B. Ausbildung der Lehrer in Medienpädagogik an den Hochschulen) liegt um Jahre hinter der Entwicklung der Technik. Meiner Ansicht nach werden Versäumnisse im Bereich der Politik und Pädagogik nun durch strengere Gesetze, Filtersoftware und Ähnliches kompensiert.

In das zuvor gezeichnete Bild fügen sich auch die Schließungen der Lehrstühle für Medienpädagogik in meiner unmittelbaren Umgebung Bonn und Köln ein, die während meiner Studienzeit vollzogen wurden. Eine Gesellschaft, die die Erziehung zu Medienkompetenz vernachlässigt und die Forschung in diesem Bereich zunehmend einstellt, kann meiner Ansicht nach keine aufgeklärte Informationsgesellschaft werden, sondern nur eine von manipulierbaren Medienkonsumenten. Intensive Forschung im Bereich der Medienpädagogik und Medienwirkungsforschung ist von höchster Bedeutung, um eine wissenschaftliche Basis für den Umgang mit den Neuen Medien zu schaffen.

Die Geschichte des Jugendmedienschutzes und auch eigene Erfahrungen haben immer wieder gezeigt, daß Verbote meist das Gegenteil dessen bewirken, was sie zu bewirken suchen. Zum Thema Filtersoftware habe ich bereits im entsprechenden Kapitel erläutert, daß Jugendliche im Umgang mit neuer Technik meist kompetenter als Erwachsene sind und sich, wenn sie es wollen, in den meisten Fällen Zugang zu den entsprechend weggefilterten Inhalten verschaffen können. Außerdem bestehen große Bedenken, daß durch Filtersoftware die legitime Nutzung bestimmter Inhalte eingeschränkt und die technische Infrastruktur für Zensurmaßnahmen geschaffen wird.

In Broschüren der entsprechenden Ministerien und Institutionen wurde stets auf die Tendenz von einer bewahrenden hin zu einer befähigenden Pädagogik hingewiesen. Die Praxis kann anders aussehen. Frau Kortländer von der Bundesprüfstelle betonte, sie fände es gut, sich auch über indizierte Inhalte mit Jugendlichen zu unterhalten, das verstösse aber bedauerlicherweise gegen geltendes Jugendschutzrecht. Die Jugendlichen könnten die indizierten Seiten dennoch im Internet abrufen. Wäre es da nicht sinnvoll, einen pädagogischen Dialog zu fördern? Wie schon Frau Kortländer forderte, wäre eine fundierte Medienerziehung bereits in Kindergarten und Schule dringend notwendig, um Kinder und Jugendliche für die immer stärker von Medien beeinflußte Gesellschaft kompetent zu machen. Aufklärung und Kompetenz scheint mir der beste Jugendmedienschutz.

Viel zu selten kommen in diesem Zusammenhang Jugendliche selbst zur Sprache, die berichten, was sie als gefährdend empfinden und was für Erfahrungen sie gemacht haben. Einzig Frau Müller von Jugendschutz.net stellte diesen Punkt als wichtig heraus.

An dieser Stelle soll nicht den Eindruck erweckt werden, im Internet seien keine Seiten zu finden, die für Jugendliche als ungeeignet einzustufen sind. Das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaften, die an ihm beteiligt sind. Die heutigen Nutzer des Internets sind in der Regel Männer mittleren Alters, Bildungsniveaus und Einkommens. Entsprechend sind auch vielfach die Angebote des Netzes ausgerichtet. Mit zunehmender Verbreitung des Internets und der Nutzung durch andere Bevölkerungsschichten wird sich das Angebot des Internets ebenfalls modifizieren.

Die Strafverfolgungsbehörden sind aufgefordert, entsprechend bekannte Verstöße gegen geltendes Recht zu ahnden. Die internationale Zusammenarbeit muß auf diesem Gebiet weiter ausgebaut und eine klare Rechtslage geschaffen werden, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und verständlich gemacht werden muß. Vielfach sind Anbieter und Nutzer schlecht über bestehendes Jugendschutzrecht im Internet informiert. Auch hier kann die Pädagogik einen Beitrag leisten und zu einer Aufklärung der Bevölkerung beitragen.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß das Internet von seinen Nutzern gestaltet werden kann bzw. wird. Eigene Homepages, interessengebundene Chats und Newsgroups liegen in den Händen der Nutzer und können von ihnen gestaltet werden. Ziel der Pädagogik und somit auch des Jugendmedienschutzes sollte es sein, Jugendliche zur aktiven Beteiligung am weltweiten Netz zu motivieren und sie nicht als passive Rezipienten des angebotenen Materials zu betrachten. Das vorgestellte Projekt Juko-Box, an dem ich mitarbeite, zeigt, wie so ein pädagogisches Konzept realisiert werden kann.

Wie auch im nicht-virtuellen Leben müssen den Jugendlichen Tips an die Hand gegeben werden, wie man sich gegen Übergriffe in der virtuellen Welt zur Wehr setzen und Belästigungen und Mißbrauch begegnen kann. Dies, sowie der kreative Umgang mit dem Medium Internet sollte primäre Aufgabe eines Jugendmedienschutzes für das Internet sein, in die Energie gesteckt werden sollte.


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